Eine Hochzeit in einem banatschwäbischen Dorf, so auch in Groß-Scham, war immer ein großes Ereignis. Selbstverständlich war es für die Brautleute das Ereignis ihres Lebens. Aber auch das ganze Dorf nahm Anteil daran. Für die geladenen Gäste war es ein Vergnügen. Es gab zu Essen und zu Trinken, und die Musik spielte zum Tanz. Kein so großes Vergnügen war es für die Brautleute und noch weniger für deren Eltern. Lange vor der Hochzeit gab es wichtige organisatorische Dinge zu lösen. Die Hochzeit musste bis ins kleinste Detail geplant werden.
In früheren Zeiten, 19. Jahrhundert und Anfang 20. Jahrhundert, setzten sich die Eltern des Brautpaares zusammen und es wurde genau besprochen, was jeder für die neue Wirtschaft beisteuert. Etwa so: „S Mrai (Maria) kriet vun uns wanns gheirat hat a Milichkuh, a trächtichi Sau un 20 Joch Feld. Un de Pheder kriet no der Hochzeit a Waan, (Wagen) zwa Ross, 25 Joch Feld, a Joch Weingarte, die Press un die Fässer“. Das wurde von den Eltern festgemacht, ohne Notar und ohne Vertrag, denn es war eine große Seltenheit, dass die Verheirateten jemals wieder auseinander gehen würden. Nach 1944 gab es das nicht mehr, denn da hatte niemand mehr etwas zu vergeben.
Nun zu den Gästen, die einzuladen wären: in erste Linie alle Verwandten, die Nachbarn rechts und links und über die Straße, die Kameraden und Freunde der Brautleute — da kam eine ganz stattliche Zahl zusammen.
Nach dem Erstellen der Gästeliste war das Fest zu planen. Die Eltern der Brautleute mussten dafür sorgen, dass zum Hochzeitstag alle Vorbereitungen beendet waren. Dazu gehörten: Das Schlachten der Schweine, manchmal auch ein Kalb. Den besten Wein besorgen, was Aufgabe der Männer war. Die Frauen mussten dafür sorgen, dass Torten und Kuchen gebacken wurden. Viele Frauen waren daran beteiligt. Auch die Suppennudeln mussten gemacht werden, was eine viel Arbeit war.
Die Sorge der Braut galt dem Brautkleid und der Frisur. Und ein schönes Blumenbukett musste die Braut bei der Trauung auch haben.
Auch die Einladungen waren noch zu verteilen. Früher war es so, dass die näheren Verwandten von den Brautleuten direkt eingeladen wurden, zu den entfernteren schickte man Kinder als Boten. Später wurden Einladungen auf der Schreibmaschine geschrieben oder man ließ sie drucken.
Die Jugendlichen hatten die Aufgabe den Saal zu schmücken mit bunten Bändern und Blumen, die von der ganzen Verwandtschaft zusammengetragen wurden. Auch war es Aufgabe der Jugend, die nötigen Tische und Töpfe sowie das Geschirr zu besorgen. Dies geschah mit dem Wagen, wobei immer einer mit einem Akkordeon für Stimmung sorgte.
Meist waren die Wirtshäuser nicht für so viele Gäste ausgestattet. Abends gab es deshalb im Hochzeitshaus ein gemeinsames Abendessen, wobei es manchmal schon recht lustig zuging.
Nicht vergessen durfte man das Einschreiben und das Ausrufen lassen. Im Gemeindehaus musste man die Trauung anmelden. Daraufhin wurde sie einige Wochen am schwarzen Brett bekanntgemacht. Das war gesetzlich vorgeschrieben. Beim Pfarrer musste man sich anmelden, daraufhin wurden die Heiratswilligen dreimal, immer sonntags in der Messe als Brautpaar verkündet. (In Groß-Scham hieß es: „Sie sin zum erschtemol ausgeruft gin“.)
Und nun zum Verlauf der Hochzeit. Vor dem Krieg war die Hochzeit in der Regel im Herbst und fast nie an einem Samstag oder Sonntag. Das lag daran, dass die Leute nach der Herbsternte die meiste Zeit hatten. Nach dem Krieg waren die Hochzeiten auch zumeist im Herbst, aber immer an einem Samstag, weil die Leute unter der Woche zu ihrem Arbeitsplatz mussten. Die Trauung auf dem Standesamt war immer ein Tag vor der kirchlichen Trauung. Anwesend waren nur die Brautleute mit ihren Trauzeugen und das Prozedere war wie heute.
Die kirchliche Trauung war immer nachmittags um drei oder vier Uhr. Dazu versammelten sich die Gäste um ein Uhr im Wirtshaus. Der Bräutigam und die Eltern der Brautleute mussten vor allen anderen da sein. Der Bräutigam hatte die Aufgabe, alle Gäste zu empfangen und zu begrüßen. Während sich die Gäste im Hochzeitshaus versammelten, war die Braut bei der Taufpatin (Tafgodel), wo sie ihr Brautkleid anlegte und von wo sie vom Hochzeitszug abgeholt wurde. Nachdem alle Gäste im Hochzeitshaus versammelt waren, formierte sich der Hochzeitszug zum Abholen der Braut. Vorneweg gingen die Brautführer, was in der Regel Bruder und Schwester der Brautleute waren. Danach kamen die Kinder, die Jugend, die Verwandten, Nachbarn und sonstige Gäste. Das Ende des Zuges bildete die Musik. Beim Eintreffen des Zuges stand die Braut im „Paradezimmer“ der „Godel“. Nachdem ein größeres Mädchen ein Hochzeitsgedicht vorgetragen hatte, übernahmen die Brautführer die Braut und der ganze Zug begab sich nun in das Hochzeitshaus. Der Bräutigam und die Eltern und auch ältere Leute blieben im Hochzeitshaus. Beim Annähern des Hochzeitszuges musste der Bräutigam der Braut einige Schritte entgegengehen, um sie mit einem Kuss in Empfang zu nehmen und ins Haus zu geleiten. Soweit noch Zeit bis zum Kirchgang blieb, wurden Salzkipfel und Wein gereicht. Danach ging es zur Kirche. Als erstes Paar gingen Braut und Bräutigam. In Groß-Scham war es üblich, dass der Bräutigam seine Braut selbst zum Altar führte. Die kirchliche Zeremonie lief auf gleiche Weise wie heute ab. Der Pfarrer segnete die Ringe, nahm ihnen das Treuegelöbnis ab und nachdem die Ringe getauscht waren, beglückwünschte der Pfarrer das junge Paar in einer kleinen Ansprache. Nach der Trauung stellte sich das junge Paar an der Seite des Altars auf und alle Hochzeitsgäste gingen an ihnen vorbei, um, manchmal unter Tränen, Glück zu wünschen und zu gratulieren. Am Ausgang der Kirche warteten schon die Zuschauer, Bekannte, Freunde und auch Neugierige, um ebenfalls Glück zu wünschen. Beim Verlassen der Kirche spielte die Musik und unter Juchei und „Buwe was hamer heint?“ – „Hochzeit!“ ging es zurück ins Hochzeitshaus.
Während der kirchlichen Trauung, wurden im Saal die Tische für das Abendessen geschmückt und gedeckt. Dazu gehörte, dass Kuchen und Torten bei Rückkehr aus der Kirche auf dem Tisch standen. Selbstverständlich gab es auch die Brauttorte, die ein-, zwei- oder dreistöckig war. Die Torten wurden nur zur Demonstration aufgestellt und vor dem Abendessen wieder abgetragen. (Was manchen veranlasste zu glauben, die Torten wären nur zum Anschauen da und nicht zum Essen.) Nachdem die Hochzeit aus der Kirche zurückgekehrt war entstand eine Pause von einer oder auch zwei Stunden bis zum Abendessen. Diese Pause nutzten die Leute, um nach Hause zu gehen und schnell noch mal nach dem Rechten zu sehen und sich für den Tanz umzuziehen. Die Älteren blieben im Hochzeitshaus. Nachdem sich die Gäste wieder alle versammelt und an den Tischen Platz genommen hatten, wurde das Abendessen serviert. Kellner waren junge Männer, Verwandte und Freunde von den Brautleuten. Unter den Klängen eines Marsches marschierten die Kellner, jeder mit einer Suppenschüssel, in den Saal. Der erste Kellner hatte anstatt der Suppe eine größere Schüssel, in der lauter Knochen waren. Und genau vor dem Hochzeitspaar stolperte der Kellner und die Schüssel mitsamt den Knochen fiel in den Saal – zum Schreck der Brautleute und der Gäste. Das Hochzeitsmenu war sehr reichhaltig. Als Vorspeise gab es eine kräftige Hühnersuppe, danach gekochtes Hühnerfleisch mit „Krensauce“ (Meerrettich) oder „Kapersauce“ (Dill); im Anschluss den Braten. Das war gebratenes und „gebackenes“ (paniertes) Fleisch. Vor dem Krieg war es obligatorisch Kalbfleisch und nach dem Krieg meistens Schweinefleisch. Zum Fleisch gab es als Beilage Kartoffelpüree, Krautsalat, eingelegte Gurken und Paprika und für den, der lieber Süßes wollte, gab es eingelegte Aprikosen, Pfirsiche, Quitten und Kirschen. Dazwischen gab es dann den sogenannten Reiskoch (Reisauflauf). Als Getränke waren Wein und Sodawasser immer auf dem Tisch. Schnaps wurde ein Gläschen vor dem Essen serviert. Nach dem Abendessen wurden die Kuchen und Torten aufgetragen.
Nach dem Essen begann die Unterhaltung. Als erster Tanz war der Brauttanz. Mit der Braut tanzte jeder. Bevor die Braut zum Tanz aufgefordert wurde, gab jeder sein Brautgeschenk ab. Die Taufpaten, die dafür an einem besonderen Tisch Platz genommen hatte, nahmen die Brautgeschenke in Empfang. Die nahen Verwandten gaben mehr, die weiteren und sonstigen Bekannten weniger. Früher war es üblich, dass die Brautleute mit verschiedenen nützlichen Dingen wie Küchengeräten oder Ähnliches beschenkt wurden. Manches Paar hatte dann beispielsweise drei Kaffeemühlen oder einige Küchenwaagen. Nach dem Krieg wurden eher Geldgeschenke überreicht. Nach dem Brauttanz war dann der Tanz für alle. Die Musik spielte auf, jeweils ein Walzer und zwei Polkas waren ein Tanz. Nach dem Krieg wurden auch schon moderne Tänze getanzt, insbesondere von der Jugend.
Es ging recht lustig zu bis nach Mitternacht, dann wurde die Braut abgekränzelt, d.h. es wurde ihr Kränzel und Schleier abgenommen und dafür bekam sie ein Kopftuch. Dazu saß die Braut auf einem Stuhl in der Mitte des Saales und ringsherum standen die jungen Frauen und sangen das dazugehörige Lied (welches ich leider nicht kenne, Anm. des Autors), damit war sie in den Kreis der Frauen aufgenommen. Es war ein symbolischer Abschied von der Jugend.
Danach wurde wieder der Tisch gedeckt. Das übliche Mitternachtsessen war Paprikasch (Gulasch). Um die Leute ein wenig aufzumuntern, gab es nach Mitternacht Kaffee. Auch das Tanzen ging weiter. Und als die ersten Ermüdungserscheinungen auftraten, kamen die Kellner und andere junge Männer in Verkleidung und mit Masken in den Saal und sorgten für Stimmung und Auflockerung. So zog sich die Unterhaltung bis zum Morgengrauen. Viele gingen dann nach Hause, um sich etwas auszuruhen, nur die ganz Eisernen blieben im Saal. Um 8 Uhr in der Früh kamen schon die ersten Gäste zurück zum Frühstück. Nun war es die Pflicht der Brautleute und deren Eltern, die Gäste zu bedienen. Gegen neun Uhr füllte sich der Saal wieder. Einige, die nicht rechtzeitig kamen, wurden mit der Musik abgeholt, ein Brauch, der nach dem Krieg von den Kommunisten verboten wurde. Die Unterhaltung setzte sich bis Mittag fort, dann wurde nochmal zum Essen geladen. Dies war kein besonderes Mahl, sondern es wurde die Reste aufgetragen, was meist nicht wenig war. Anschließend wurde bis in den Nachmittag getanzt; allmählich legte sich die Stimmung und einer nach dem anderen ging, um ein schönes Erlebnis reicher. Zurück blieben die Eltern der Brautleute. Ihnen oblag das Saubermachen und Aufräumen. Aber auch sie ruhten zuerst mal aus, bevor es an die Arbeit ging.
Von der Hochzeit aber wurde noch lange Zeit erzählt.
Sprüche zur Hochzeit
Liebe Braut,
ein tiefer Sinn liegt in den zarten Lettern,
aus welchen ich den Strauß dir liebend wand,
zwar nur ein reines Herz liest diese Lettern,
doch dir ist diese Deutung längst bekannt.
So nimm ihn denn in dieser schönen Stunde,
den Strauß der dir ein Herz voll Liebe deut,
der Segen Gottes ruh auf diesem Bunde,
dein Leben schon sei Himmel Seligkeit.
Und musst du auch dein Schritt zur Ferne lenken,
fort von der Flur wo dir die Kindheit schwand,
auch fern wirst unser du mit Liebe denken,
getrennt auch einet uns des Herzens Band.
Gott sei mit dir und wenn in fernen Tagen,
dir Freud und Leid bewegt das volle Herz,
dann denk das hier verwandte Herzen schlagen,
die treu mit dir empfinden Lust und Schmerz.
Nun tretet beide vor den Altar
und lasst euch segnen für ein Paar.
Hoch lebe das Brautpaar!
Liebe Braut,
nun ist, Du liebes Bräutchen ja,
auf einmal deine Hochzeit da.
Und da sie all heut zu dir gehen,
will ich nicht leer von Ferne stehen.
Ich wünsche Glück und Segen dir,
und bring dafür ein Sträußchen dir.
Sei immer treu und wohlgemut
und bleib als Frau mir auch noch gut.
Hoch lebe unsere liebe Braut!
Liebes Brautpaar,
der schönste Tag,
die schönste Stund,
habt ihr erlebt, ihr Kinder heut.
Ihr werdet mit dem Kranz verbunden,
für eure ganze Lebenszeit.
Ihr müsst verlassen eure Eltern,
die euch geliebt gepfleget hier,
die euch all hier viel Gutes erwiesen.
Oh danket ihnen heut dafür.
Der Kranz der euch am Haupt verbindet,
den drücket fröhlich euch ans Herz.
Er bringt euch Frieden, Glück und Freude
und vielleicht auch bitteren Schmerz.
Und wenn er einst euch Kummer drückt
und ihr Wehmutstränen weint,
so denkt zurück an jene Stund,
die durch den Kranz euch heut vereint.
Du Braut bekommst heut neue Eltern,
sei ihnen treu bis in das Grab
sei ihnen Freude, Trot und Stütze,
bis sie gehen ins kühle Grab.
Du Bräutigam du sei das selbe,
verstoße deine Eltern nicht,
denn sie lieben dich so wie noch immer,
denn du sollst sein ihr treues Kind.
Du geliebter Bräutigam bekommst an deine Seite,
diese Braut für deine eigene Frau.
So steht sie hier wie eine Braut,
dass sie dem Bräutigam ihr Leben anvertraut.
Nun gehet hin, in Jesus Namen
und lasst euch segnen für ein Paar
die Versammlung sage amen,
was ihr wünscht das werde wahr.
Bittet Jesus um den Segen,
ladet ihn zur Hochzeit ein,
denn daran ist viel gelegen,
wenn ihr wollet glücklich sein.
Schenk, oh Jesus, ihnen Segen,
schenk oh Jesus ihnen Gnad,
dass sie sich stets innig lieben,
bis sie gehen ins kühle Grab.
Spielet auf ihr Musikanten,
die Hochzeit geht voran.
Wurde vorgetragen von Maria Hasselhan ( geb. Lösch)
am 17. Juni 1950 bei der Hochzeit von Josef Lösch und Anna Wingert
Günter Lenhardt