Brauchtum

Leben in Groß-Scham

Das Groß-Schamer Dorfleben orientierte sich, wie in allen Banater Dörfer, am Kirchenjahr und an der Feldarbeit. So feierten die Dörfler in einer festgelegten Abfolge im Jahreslauf: besondere Kirchenfeste, z.B. Ostern, bäuerliche Feste, z.B. Erntedank, und direkt oder indirekt Gedenktage der Heiligen, z.B. Namenstage. 
Feste im Kirchenjahr
Hochzeit, Erntedank, Weinlese, Schlacht

Postkarten vom Fotografen Karl Nagram

Das Leben der einzelnen Bewohner lief ebenfalls nach einem bestimmten Ritual ab. Bis ins 20. Jhd. ereigneten sich Geburt und Tod im Kreise der Familie. Die Höhepunkte eines Familienlebens waren die Taufe, Kommunion, Firmung und Hochzeit. Weniger erfreulich, aber ebenfalls nach einem vorgegebenen Ablauf, vollzog sich das Begräbnis.

Die Groß-Schamer Mundart

Die Banater Dörfer ähnelten sich in der Brauchtumspflege und Sprache; beim näheren Hinsehen gab es aber auch kleine Unterschiede. So beispielsweise in der Mundart. Zwar kamen auch nach Groß-Scham Kolonisten aus verschiedenen Gegenden, den Schwerpunkt der Sprache bildete eine südwestrheinfränkische Mundart.

Die Groß-Schamer Mundart – ein Beispiel
Vor korzem war a Bericht,
Trappgäns fange war die Gschicht.
Vum Hase fange war aa die Red,
Des is wirklich a grosses Gfret.
Un da in Grossscham a so etwas war,
Muss ich euch das vrzähle klipp un klar.

Als aamol a Jachttach war,
Die Witterung schön hell un klar,
Sitze vier Hase ufm Geiseberch,
Der is net weit von der Kerch.
Sie spile des Alschosch-Gspiel
Net weit vom Lauritz seiner Miehl.

Jetz kumme die Jäger angeruckt,
Mancher grad, mancher gebuckt.
Der erschti war dr Vetter Jerch,
Der kummt am Grawe bei der Kerch.
Da saat der ani Has: “ Der gsieht net gut,
Spiel mr weiter rot is Adut.“

In aner Weil kummt dr Gluting Hans
Glei hine no de Kincser Franz.
Do saat d’anri Has: „Ach was,
Vun dene han mir ke Angscht, die mache Gschpass.“

Jetz kummt d’Heinrich Vetter
Sucht in de Säck un saat Dunnerwetter,
Die Patrone han ich schun wieder d’ham,
Un kumm do mit vier Hase zamm.
Gar gut wisse des die Hase,
Drum mache se ihm a langi Nase.

Jetz kummt d’Rohr Jani mit seim Wahn
Un fahrt an de Geiseberch tran.
Er war schun in grösster Freid,
Wie viel Hase er schiesse wird heit,
Un wie er gsieht die spiele dort,
Saat er, des gibt a vielfache Mord.

Die Hase lache ne awr aus,
Der anri spielt grat d’Atu raus.
Heit geht wieder mol d’Andres Kaufmann uf die Jacht.
Do gibts a Schiesserei das alles kracht.
Die Hase saan, des is a Jägersmann
Mit dem mr alles mache kann.

Un als de Kietze aus’m Dorf raus kummt
Un vor sich etwas brummt,
Do spitze die Hase die Ohre, de kenne se gar gut,
Denn wann der kummt gibts immer Blut.
Der ani will spiele grad Ultimo
Do saat der anri: „Awer jetz alli mir no.“
Sie renne d’Berch nunner was se kenne.
Die Jäger awer tun aner de anre verschene.
Im Tal am End vom Geissberch
Kumme se alli zamm mit dem Vetter Jerch.
Dort steht awer aa d‘ Kempfer Paul,
Iwer de schenne se: „Ihr wart im arangiere faul.“
(Diese Zeilen sind ein „Fundstück“ auf einem Blatt Papier – Leider ist der Autor nicht bekannt.)

Weiterführende Literatur:
Peter Kottler et al. (2013): Wörterbuch der Banater deutschen Mundarten, Band I (A–C).  IKGS Verlag, München

Der „Ulaker“  – das Groß-Schamer Wahrzeichen

Zwischen den Banater Dörfer gab es Rivalitäten, bedingt durch Wohlstand und Lebensart. So hatten die Bewohner fast jeden Dorfes einen Beinamen, der ein charakteristisches Merkmal hervorhob. 

1995 wurde der Ulaker erneut angefertigt. Johann Burghardt, aus Liebling stammend, stellte im Auftrag von Günter Kern aus Detta das Wahrzeichen der Groß-Schamer her. Seither wird der Ulaker zusammen mit den geweihten Fahnen der beiden Gesangsvereine bei jedem Groß-Schamer Treffen ausgestellt.

Die Groß-Schamer werden „Ulaker“ genannt. Ein Spruch dazu lautet: Wer zum Ulaker gebor is, werd nie a Schnappmesser!
Ein Ulaker ist ein primitives Klappmesser, das zum Arbeiten in den Weingärten und auf dem Feld benutzt wurde. Da es meist selbst gefertigt wurde und von minderer Qualität war, war es eher ein Zeichen der Armut. 
Der Ulaker ist ein Wahrzeichen Groß-Schams geworden; um ihn ranken sich einige Geschichten, so wie die folgende.

D’r Großschamer Ulaker – A Gschicht aus Groß-Scham
Es waar im Großwertzhaus a Wert der hat Martin khast un hat so zwische 140 un 150 Kilo gewo un immer d’Spitzbu im Pusm khat. D‘ Martin hat in Moritzfeld a Kriegskuleger khat un is ne per Baan uffsuche ‚gfahr.  Wier in Gatei waar, hat’s angfangt zu Blize un Tunre, er hat zu sich gsaat: „Pischt in Slappe un Socke, was machscht wann’s reent?“
Wie’r in Moritzfeld ankumm is, war alles voll Wasser, bis ins Dorf waare’s zwo Kilometer. De Wech war mit Kootzigle geplaschtert „lch wer schun owacht gin“ denkt er. Wie er bei sei’m Kuleger ankumm is, war er voller Loom un Treck bis iwer die Ohre. Er hat gepitt um a Lawor mit Wasser un a paar Socke. Er wert se zuruckschicke. Wie er sauwer war hanse sich begriest – glei waar a Liter Wein uf’m Tisch, un sie han vun de alte Zeite verzehlt. Uf amol zieht de Martin sei Uhr aus’m Hossesack un saat: „Ich muß mit’m Vieruhrzug hammfahre. Wann mei Stammgescht kumme, muß ich terham sin.“
D’Steffi hat ingschpannt un hat ne uf die Baahn g’fiert. M’Martin sei Weib hat die Socke gewescht, der Martin hat a Kischt mache gelosst ene Meter hoch, ene Meter tief und ene Meter broot. Die hat’er voll Stroh gemacht. In die Mitt hat’er die Socke nin un hat se per Bahn uf Moritzfeld zum Steffi gschickt. 
Wie die Kischt ankumm is, is d’Steffi verschtändicht gin. Er is sofort uf die Bahn un wie er die Mortz-Trumm-Kischt gsien hat, hat er sich gedenkt: Wu is die her? Ich han doch nix b’schtellt. Er is wieder ham, hat ingspannt un is mit Ross un Waan die Kischt holle gfaar.
Des hat sich im Dorf rumgeret, das er so a grosi Kischt gried hatt. Wie er ham kum is, war der Hof voller neigiriche Leit, klei is die Kischt ufgemacht gin: Stroh, Stroh un noch mol Stroh! Die neigiriche han schun angfangt zu khiggle‘ un uf amol kumme die Socke zum Vorschein. Au, au Groß-Schamer des bleiwe mir eng net schuldich! Weil so viel Leit zam waare han se klei Root gsucht was too zu mache is. Uf amol hebt d’Sepp die Hand un saat: „Du Pheder, geh zur Kegelbahn un holl d’Poppe, du Jakob bringscht a Sens un du Matz bringscht a Schragelskett. D’Poppe is mit dr Sens zamgeniet gin, die Kett draangemacht  gin un fertich waar d’Ulaker. Des Stroh is in die Kischt ghumm, d’Ulaker in die Mitt un des ganzi is per Bahn uf Scham gschickt gin.
D’Martin is verständicht gin, dass er a Kischt uf der Bahn hat. Er hat sich a Waan gelehnt un is uf die Baahn gfaahr, hat die Kischt abkholl hat se ins Wertshaus geprung  un hat gewahrt bis die Stammgescht alli kumm sin, dass se se ufmache. Wie se alli beisamm waare, hat er se ufgemacht un derbei die Herkunft vun der Kischt verzeehlt. Do war die Neigier jedem ins Gsicht gschrieb. Wie se endlich uf war, han se g’schaut: Stroh, Stroh un wieder Stroh. Alli han angfangt zu lache. Uf amol gsiet aner a Kett, zieht dran un d’Ulaker kummt zum vorschein. Alli ware sprachlos, wie se des Ding gsiehn han. Wie se mol zu sich khumm sin vum Schock, han se sich a Weil angschaut, dann saat d’Franz: „Wann der alli inverstan‘ seid, hänge mer d’Ulaker uf die Gass ower die Eingangstier, dass die Leit alli gsiehn, was die Moritzfelder uns gschickt han. Mir misse uns ach etwas infalle losse. Des terfe mer deni Moritzfelder net schuldich bleiwe.
Harald Wingert